Täglich spielen Millionen Menschen auf ihren Smartphones.
Pac-Man, Pong, Donkey Kong – viele Videospiel-Ikonen scheinen einfach schon immer dagewesen zu sein. Mein Favorit: Super Mario Run. Mario-Erfinder Shigeru Miyamoto enthüllte es 2016, indem er mit einer Hand das Smartphone hielt und den Kult-Klempner entspannt durch bunte Levels scheuchte, während er mit der anderen Hand einen Burger ass. Als Nürnberger ersetze ich den Burger lieber durch ein Bratwurstbrötchen, aber Mario endlich auf meinem Handy spielen zu können, ist für mich das Nonplusultra. Bis Videospiele bei dieser Art des Fast-Food-Gamings angekommen waren, legten sie jedoch einen weiten Weg zurück. Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden die ersten Spiele in Labors, in den Siebzigern fanden sie den Weg in den Massenmarkt und erst vor etwa zehn Jahren legte das iPhone den Grundstein für den Durchbruch des Mobile-Gamings. Wir geben einen Überblick über die Entwicklung.
- Am Anfang war Tennis
- Pong lockt die Massen an
- Die goldene Ära der Spielhallen
- Der grosse Crash
Am Anfang war Tennis
Pong (1972) kennt ihr sicher alle. Noch weit vorher, 1958, kam der Physiker William A. Higinbotham auf eine zündende Idee. Im nuklearen Forschungslabor Brookhaven National Laboratory gab es einmal im Jahr einen Tag der offenen Tür. Für Besucher erfand er deshalb das Spiel „Tennis for Two“. Es bestand aus einem Oszillographen als Bildschirm und einem Computer aus dem Zweiten Weltkrieg, der Flugbahnen berechnen konnte. Genau das musste er auch können, denn für das Tennis-Spiel sollten die Flugkurven des Balls auf dem Bildschirm nachgezeichnet werden. Kombiniert mit zwei sperrigen Steuerungskästen war der erste Spiele-Computer fertig und „Tennis for Two“ bereit für den Aufschlag.
Pong lockt die Massen an
1972 veröffentlichte die Firma Atari schliesslich Pong, das auf dem gleichen Prinzip beruhte und lediglich drei weisse Linien sowie einen Punkt auf einem schwarzen Bildschirm darstellte: Eine durchgezogene gestrichelte Linie als Netz sowie links und rechts kleine Striche als Spieler. Zumindest in dem ein oder anderen Film werdet ihr das Spiel schon mal gesehen haben. In den 1970er-Jahren erlangte es zunächst in Spielhallen grosse Beliebtheit bevor es später in Form der ersten Videospielheimkonsole „Atari Pong“ die Wohnzimmer eroberte. Es gilt als Urvater der Videospiele, auch wenn Tennis for Two früher dran war.
Die goldene Ära der Spielhallen
In den 1970er- und 1980er-Jahren boomten die Arcades – verrauchte Hallen, voller Videospielautomaten. Sie boten überlegene Technik, die für den Heimgebrauch unbezahlbar war. Wer die neuesten Spiele erleben wollte, machte sich also mit einer Handvoll Münzen in die Spielhalle auf und verbrachte Stunden mit Pac-Man (Namco 1980), Space Harrier (Sega 1985) oder Donkey Kong (Nintendo 1981). Bei Firmen wie Namco, Atari, Sega und Nintendo herrschte wahre Goldgräberstimmung. Die versiegte ab Mitte der 90er-Jahre jedoch rasant, gerade als ich alt genug war, zumindest im Kinofoyer am Le-Mans-24-Automaten zu zocken, der dann aber auch schnell weg war. Als 1986er-Jahrgang hatte ich die Hochzeit der Arcades damit verpasst.
Der grosse Videospiel-Crash
Ebenso wie den kurzzeitigen Niedergang der Videospielkonsolen, denn der Heimkonsolenmarkt in den USA brach zwischen 1983 und 1985 fast komplett zusammen. Der Grund: Die schlechte Umsetzung der damaligen Spiele verscheuchte die Verbraucher in Massen. Ein grosser Gewinner des Videospiel-Crashs war Nintendo – auch wenn es zuerst recht düster aussah. Erst als Nintendo offensiv auf Qualität setzte, ging es wieder bergauf. Mit seiner ersten Konsole, dem Nintendo Entertainment System (NES), waren Videospiele für das Wohnzimmer wieder der letzte Schrei. Super Mario Bros., The Legend of Zelda und Metroid waren exzellente Spiele und überzeugten Gamer und Kritiker gleichermassen. Alle drei Serien sind bis heute beliebt und Mario turnt inzwischen auf meinem Smartphone herum.
Nintendo und Sega
Nintendo legte mit der NES-Konsole den Grundstein für ein neues Millionengeschäft. Kurz darauf wollte auch Sega ein Stück vom Heimkonsolenkuchen haben und lieferte sich in den 80ern und 90ern mit Nintendo einen offensiven Werbekampf um die Gunst der Kunden. Das brachte uns unter anderem einen der bizarrsten Werbeslogans aller Zeiten ein: „Sega does what nintendon't.“ Trotz aggressiven Marketings und populärer Marken wie Sonic The Hedgehog erreicht Sega aber meist nur Platz 2, doch die harte Konkurrenz der beiden Firmen sorgte für viele neue Spielideen und grossartige Titel für Segas Master System und Mega Drive sowie Nintendos NES und SNES.
Sony übernimmt
Auch Sony drängte ins Konsolengeschäft. Während der Entwicklung hinterging Nintendo den zukünftigen Playstation-Macher und wandte sich an die europäische Konkurrenz. Nachdem Philips den Zuschlag für das Projekt erhielt, veröffentlichte Sony 1994 schliesslich sein eigenes Gerät, die Playstation. Die Geschichte der Playstation begann mit einer wuchtigen Werbeoffensive, die das Gerät als Lifestyle-Produkt platzierte. So stellte Sony Anspiel-Stationen in Discos auf, hievte Gaming aus dem Kinderzimmer in Richtung Erwachsenenunterhaltung und schrieb sich selbst erfolgreich einen Coolnessfaktor zu, von dem die Marke PlayStation bis heute profitiert.
Ab ins Internet
Dadurch war der Niedergang der Spielhallen besiegelt. Auch Sega brachte mit seinen Konsolen Master System (1985) und Mega Drive (1988) bereits seit Jahren immer wieder Arcade-Games ins Wohnzimmer. Nach dem mässig erfolgreichen PlayStation-Konkurrenten Sega Saturn veröffentlichten die Japaner 1998 mit dem Dreamcast die erste Konsole mit eingebautem Modem. Der Weg ins Internet war offen, und das Zeitalter des Online-Gaming auf Konsolen startete. Auf dem PC war das seit Ultimate Online (1997) mit Tausenden von Spielern gleichzeitig schon länger möglich, doch erst mit Konsolen wie Dreamcast und später der Xbox schaffte es das Spielen im Internet auf breiter Fläche in die Haushalte.
Danke, iPhone
Mit dem 2007 vorgestellten iPhone stiess mobiles Gaming in eine neue Dimension. Es war das erste Smartphone mit einem kapazitiven Touchscreen und Entwickler konnten die Steuerungselemente auf dem Bildschirm nach Belieben anpassen, da es keine Tasten hatte. Inzwischen hat jeder dritte Mensch auf der Welt ein Smartphone - viele davon mit schnellem Internetzugang. So schafften es Spiele wie Clash of Clans und sogar Fortnite auf die Telefone und in die U-Bahn und ich kann mein geliebtes Final Fantasy und Tekken unterwegs spielen! Das ist nicht nur cool, sondern auch ein Milliardenmarkt.
Resümee
Ich hätte mir Anfang des Jahrtausends nie vorstellen können, dass ich damalige PC- oder Heimkonsolenspiele wie GTA San Andreas (2004) und Final Fantasy 9 (2000) nur wenige Jahre später in die Hosentasche stecken und in der U-Bahn spielen könnte – Smartphones sei Dank. Alteingesessene Spieler wie ich wundern sich ob der Techniksprünge, für die Jüngeren sind die heutigen Möglichkeiten ganz normal. Die Generation Z, die praktisch mit Mobile-Gaming aufgewachsen ist, wird in ein bis zwei Jahrzehnten ebenso ungläubig blinzeln. Die nächste Innovation kommt bestimmt. Ich freue mich besonders auf Augmented-Reality-Hardware, wie die Brille Magic Leap. Sie könnte den nächsten Umbruch für Videospiele bedeuten und Spiele in die echte Welt projizieren. Eine Konstante besteht jedoch bereits seit Tennis for Two: Spielen ist sozial. Dank des Internets sogar mehr als jemals zuvor. Was wohl der Erfinder von Tennis for Two, William A. Higinbotham, dazu sagen würde? Er starb im November 1994, einen Monat vor der Veröffentlichung der PlayStation.
Sebastian Zelada Ocampo schreibt seit Jahren für Fachmagazine und Internetseiten aus dem Bereich Videospiele und Technik. Er kennt die Branche aber auch aus Entwicklersicht, arbeitete in der PR für Indie-Studios und betrieb gemeinsam mit Robin Kocaurek einen eigenen Podcast zum Business hinter den Spielen.
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